Jahrhundert-Hochwasser 2002
Das Tiefdruckgebiet „Ilse“ zog von den Britischen Inseln kommend zunächst südlich der Alpen, um dann auf einer Vb – Zugbahn von Norditalien aus an den südlichen Alpen entlang in Richtung Polen zu ziehen. Von einer Vb – Wetterlage spricht man, da ein Höhentief mit seinem Zentrum vom Golf von Genua in Richtung Ungarn zog und das dazugehörige Bodentief sich zeitgleich über die Ostalpen nach Polen verlagerte. Die auf Kaltluft aufgleitende feuchtwarme Meeresluft bildete einen breiten Niederschlagsstreifen. In diesem Grenzbereich entwickeln sich ausgedehnte Starkniederschläge von längerer Dauer.
Am Abend des 11. August 2002, einem Sonntag, begann es dann auch in Sachsen zu regnen. Da es an der Rückseite des Tiefdruckgebietes zu einer Nordströmung kam, führten Stau und orographisch bedingte Hebung der Luft zu einer deutlichen Verstärkung der Niederschläge im Erzgebirge. In Zinnwald wurden vom 11. August 7:00 Uhr bis zum 12. August 7:00 Uhr 68 mm Niederschlag pro Quadratmeter und vom 12. August 7:00 bis 13. August 7:00 Uhr sogar 312 mm Niederschlag pro Quadratmeter gemessen. Dies entspricht 373 % des langjährigen Monatsmittelwertes.
Seit Beginn der routinemäßigen Niederschlagsmessungen wurde kein höherer Tageswert in Deutschland registriert. Dieser Wert kommt der vermutlich größten Niederschlagsmenge, die dort physikalisch überhaupt möglich sei, extrem nahe. Auch in Chemnitz machte der Regen 137 % des langjährigen Monatsmittels aus. Die erheblichen Niederschlagsmengen machten sich in den Bach- und Flussläufen des Erzgebirges rasch bemerkbar. Die sogenannten Infiltrationsintensitäten und Speicherkapazitäten der Böden im Muldengebiet waren schnell überschritten, also kam es zu oberirdischen Abflüssen. Bald waren die Rückhalteräume der Talsperren erschöpft.
Nie zuvor gemessene Wassermassen ergossen sich talabwärts entlang der Weißeritz, der Zwickauer und Freiberger Mulde, Flöha, Zschopau und natürlich der Elbe. Jeder einzelne Flusslauf wäre für sich genommen schon schwer kontrollierbar gewesen, die Zusammenballung der Ereignisse löste die bisher größte Naturkatastrophe der Bundesrepublik Deutschland aus.
Am 11. August 2002 Vorwarnung zur Unwetterwarnung vor ergiebigem Niederschlag:
In der Nacht zu Montag beginnend erreicht ein Regengebiet Sachsen, das längere Zeit stationär wird und voraussichtlich bis Dienstagnacht sehr ergiebige Mengen von 40 bis 60 stellenweise über 80 Liter je Quadratmeter verursacht. Dabei sind zunächst verbreitet Überflutungen von kleineren Flüssen und Bächen sowie Erdrutsche möglich.
Am 12. August 2002 erfolgte eine Kontrolle des Wasserstandes der Zschopau und des Dorfbaches durch den Bürgermeister und der FFW. In Niederwiesa kommt es um 10:00 Uhr zum 1. Einsatz der Feuerwehr.
Bahnhofstraße – Talstraße. Gegen 14:00 Uhr beginnt die Zschopau den Wanderparkplatz in Lichtenwalde zu überfluten. Die Verbindungsstraße Braunsdorf – Lichtenwalde versinkt mehr und mehr im Wasser. 400 Sandsäcke wurden vom Bauhof Niederwiesa zum Schutz der Grundstücke in Braunsdorf verlegt.
In den Evakuierungsunterkünften in der „Gaststätte Brauhof“ und die Sport- und Kulturhalle wurden für die Bürger vorbereitet. Zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr steigt die Flut weiter. Es kommen Schlauchboote, Hubschrauber zum Einsatz und Baufirmen aus dem Ort stellen schwere Technik zur Verfügung. Später fällt in Niederwiesa, Braunsdorf und Lichtenwalde die Elektroenergieversorgung aus. Notstromaggregate werden genutzt, damit die wichtige Nachrichtenverbindung über Telefon und Fax gewährleistet ist.
Am 13. August 2002 beträgt der Wasserstand über 4 m und er steigt immer noch weiter. Die Pegelstände der Flöha für die Zschopau weisen die Höchstmarke von 5 m Wasserstand auf.
Am 14. August 2002 erfolgte über die Feuerwehren die Kontrolle der Pegelstände am Fluss; Tendenz fallend. Im Fluss ist die Strömung noch sehr stark, auch Treibgut wird nach wie vor vom Fluss mitgeführt. Beginn der Aufräumungsarbeiten. Der Pegel der Zschopau in Flöha erreicht die 3 m Marke. Damit ist der Wasserstand im Fluss in 20 Stunden um 2 m gesunken.
Nun werden die ersten Schäden der Hochwasserkatastrophe sichtbar: Straßenverbindung von Braunsdorf nach Lichtenwalde ist zwischen der 5er Brücke an der Alten Mühle weggespült, Löcher bis 4,5 m Tiefe sind in der Fahrbahn
Am 15. August 2002 wurde der Katastrophenalarm im Landkreis aufgehoben.
Bei Aufräumungsarbeiten kommt es zu einem Munitionsfund, wobei es sich zum Glück nur um eine Übungsgranate einer Panzerfaust handelte.
Die Pegelstände der Flüsse Zschopau und Flöha sanken weiter und erreichten am 16. August 2002
- Pegel Hopfgarten für die Zschopau nur noch 1,32 m
- Pegel Pockau für die Flöha 2 m Wasserstand.
Insgesamt haben die Freiwilligen Feuerwehren der Gemeinde Niederwiesa mit 6506 Einsatzstunden in der Katastrophenbekämpfung gewirkt. Sie wurden in dieser Zeit von weiteren freiwilligen Helfern unterstützt, die 6240 Einsatzstunden leisteten.
Das Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002, gekennzeichnet durch eine Blechmarkierung am Gebäude mit den alten Hochwassermarkierungen an der alten Mühle in Lichtenwalde, übersteigt den höchsten Stand von 1722 um mehr als einen Meter. Es kann deshalb mit Recht als ein Jahrtausendhochwasser bezeichnet werden.