Beitrag von Heiko Lorenz

Das älteste menschliche Artefakt hiesiger Gegend – Ein neolithischer Fund vor den Toren Niederwiesas

In der Öffentlichkeit ist, auch Dank des mittelsächsischen Besiedlungszuges, das Wissen über die Besiedlung der hiesigen Gegend im 11. Jahrhundert durchaus gegenwärtig. Weitgehend unbekannt dagegen ist die Besiedlung bzw. zumindest das Betreten hiesiger Gegend zu weit früherer Zeit. Dabei gab es überall Funde, so auch ganz in der Nähe Niederwiesas. Im weitläufig bekannten Buch „Werte unserer Heimat“ aus dem Jahr 1977 erfährt der Leser, dass bei der Finkenmühle ein durchbohrter Schuhleistenkeil aus der jüngeren Steinzeit gefunden wurde. Nachdem keine weitergehende Untersuchung des Fundes bekannt wurde und selbiger daher in der Allgemeinheit weitgehend in Vergessenheit geriet, ist es an der Zeit, jenes Fundstück wieder in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Eine Anfrage beim Landesamt für Archäologie Sachsen brachte schnell Aufklärung obwohl die Steinsammlung in Dresden bei der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg empfindlich getroffen wurde. Das Fundstück ist dank glücklicher Umstände heute noch vorhanden.

Im Mai 1941 fand demnach der Altenhainer Erbhofbauer Paul Dietrich südöstlich des Ortes und nordwestlich der Höhe 308,1 einen querdurchlochten Schuhleistenkeil mit den Abmaßen 18,5 cm × 6 cm × 4 cm. Die Bohrung erscheint außergewöhnlich groß und sauber, eine Glanzleistung damaliger Zeit! Heute ist der genaue Fundort aufgrund fehlender Detailangaben wohl kaum noch genauer zu bestimmen. Die oder eine „Höhe 308,1“ ist an der Fahrstraße von Flöha nach Altenhain kurz oberhalb des noch heute zu erkennenden Steinbruchs gelegen.

Schuhleistenkeil
Abbildung: Landesamt für Archäologie Sachsen

Nachdem der Fund nordwestlich der Höhe 308,1 zu lokalisieren ist, lag die Fundstelle deutlich höher als der Flusspegel und nicht direkt an der Finkenmühle.

Das Fundstück ist in fachlicher Hinsicht eine Dechsel und diente an einen Holzgriff geschäftet der Holzbearbeitung. Das Landesamt für Archäologie Sachsen ordnet den Fund in das frühe 5. vorchristliche Jahrtausend ein. Das Neolithikum breitete sich ab etwa 5600 v. Chr. vom Donauraum her nach Norden bis an die Lössgrenze aus. Die hiesige Landschaft war damals nicht oder nur gering bewaldet. Besiedelt wurde das Bergland vermutlich aber noch nicht, da man im Flachland wohl besser Ackerbau betreiben konnte. Grob veranschaulicht liegen die meisten Fundstellen und damit sicher auch das damalige Siedlungsgebiet nördlich und östlich der Freiberger Mulde, also auf einem Streifen von Dresden bis Leipzig.

Wie kam das Fundstück nun in die hiesige, kaum besiedelte Gegend? Man weiß es nicht. Aufgrund der im Vergleich zu nördlichen Gebieten Sachsens deutlich geringeren Funddichte – man fand frühzeitliche Gegenstände unter anderem in Zschopau, Sachsenburg, Neudörfchen, im Zeisigwald und in Glösa – geht man davon aus, dass das Erzgebirge damals noch nicht besiedelt war. Vorstellbar ist jedoch ein Pfad entlang des Flusses aber auch ein späteres Verlieren durch andere Generationen ist nicht auszuschließen.

Heiko Lorenz
(Arbeitsgruppe Ortsgeschichte Niederwiesa)